Der Schlaf des Schmetterlings im Kindle-Shop auf amazon

Letzte Woche habe ich meinen Thriller „Der Schlaf des Schmetterlings" im Kindle Shop auf amazon.de veröffentlicht. Der Schlaf des Schmetterlings erschien 1995 im Bastei Lübbe Verlag. Im Jahr 2000 wurde er noch einmal im Verlag der Criminale aufgelegt. Jetzt bin ich froh, dass er weiterhin im Kindle-Shop als E-Book erhältlich ist. Um einen Eindruck von dem Roman zu geben, hier der Anfang:

 

1

Etwas hat sich verändert. Ich trommle unruhig mit den Fingern auf der Armlehne meines Sitzes. Alles ist still. Da ist nur das gleichmäßige Rattern des Zuges. Ich bin allein. Der Mann, dieser seltsame Südamerikaner ist nach draußen gegangen. Er hat mir seinen Namen genannt. Er ist hereingekommen, hat eine leichte Verbeugung gemacht und sich vorgestellt.

„Mein Name ist Pedro Rodríguez", hat er gesagt. Ich weiß nicht, warum er seinen Namen genannt hat. Mich interessiert das nicht. Ich möchte auch kein Gespräch. Ich will hier nur sitzen und fahren und nicht reden.

Der Fremde hat seine Zeitung liegenlassen. Ich nehme sie, ein Papier fällt heraus. Ich hebe es auf. Auf dem Papier ist eine Zeichnung. Augen in einem Kopf. Viele Augen. Vom Kopf erkennt man nur die Umrisse. Ein weißer Vogel fliegt durch den Kopf. Am Halsansatz ist eine Hand zu erkennen. Eine offene Hand, die fordernd ausgestreckt ist. Die Augen fangen an, sich zu bewegen, flackern unruhig.

Was soll die Zeichnung bedeuten? Vielleicht ein Symbol. Ich habe diese Zeichnung schon einmal gesehen, aber ich kann mich nicht erinnern.

Der Zug wird langsamer und hält. Ich öffne das Fenster. Ein kleiner Bahnhof. Links ein Kiosk, in der Mitte das Bahnhofsgebäude. Eine Schwenktür bewegt sich noch. Eben ist jemand nach drinnen gegangen, die Türangel quietscht ein wenig, aber sonst ist nichts zu hören. Der Bahnsteig ist leer.

Der Zug fährt weiter. Ich schließe das Fenster und setze mich. Etwas hat sich verändert. Warum war dieser Bahnhof leer? Niemand war zu sehen. Ich werde unruhig, höre nach draußen. Nichts, nur das Rattern des Zuges. Dieses Rattern macht mich noch verrückt. Es ist lauter geworden, wird immer lauter.

Der Zug fährt viel zu schnell. Er rast durch die Landschaft, stampft über die Gleise wie ein wildes, riesiges Tier.

Ich gehe hinaus. Etwas hat sich verändert. Der Gang ist leer. Als ich eingestiegen bin, war dieser Zug voll, die Menschen standen auf den Gängen, sie sahen müde aus. Aber jetzt ist niemand da. Ich schaue in das nächste Abteil. Es ist leer. Ich gehe weiter. Es ist mühsam, durch den Gang zu gehen. Der Zug fährt viel zu schnell. Man muß dem Zugführer sagen, daß er zu schnell ist, viel zu schnell.

Etwas hat sich verändert. Ich spüre, wie mein Herz pocht, wie ein ängstlicher Vogel in einem Käfig aus Rippen pocht mein Herz. Ich sage mir, das muß ein Traum sein, das ist nicht wahr, du mußt nur aufwachen, dann ist alles vorbei. Aber ich wache nicht auf. Ich gehe weiter, an den Abteilen vorbei. Sie sind leer. Niemand ist zu sehen, niemand scheint in diesem verdammten Zug zu sein, der immer schneller durch die Landschaft rast, und das ohrenbetäubende Rattern dröhnt durch die Abteile. Ich fange an zu schwitzen, ich spüre Schweiß auf meiner Stirn, kleine feine Schweißperlen. Ich habe Angst. Angst jagt Adrenalin in die Blutbahn und mein Herz pocht und hüpft wie ein ängstlicher Vogel in einem Käfig. Aber das ist nur ein Traum. Ich weiß, daß das ein Traum ist. Ich muß nur aufwachen, dann ist alles vorbei.

Auf einmal ist es dunkel. Der Zug fährt durch einen Tunnel. Ich muß aufwachen. Ich sage mir, daß ich aufwachen muß, aber es hat sich etwas verändert.

Dann ist es hell, und ich kann sie sehen. Eine Frau steht hinter der Glastür, die in den nächsten Wagen führt. Ich sehe nur ihr Gesicht. Es bewegt sich unruhig, hüpft wie ein Luftballon hin und her. Die Frau starrt mich mit großen Augen an. Sie ist ganz nah. Ich sehe, wie sie die Lippen bewegt, aber ich kann nichts hören. Es ist zu laut, der Zug ist viel zu schnell. Jemand muß zum Zugführer gehen. Jemand muß ihm sagen, daß alles nur ein Traum ist, und daß er anhalten muß. Die Frau steht immer noch vor mir. Die Augen sind groß, und sie sind voller Angst. Sie sagt etwas, aber ich kann nichts verstehen. Ich sehe nur die Angst. Die Augen werden starr, es ist, als ob alles Leben darin erlischt, das Gesicht geht ein wie ein Luftballon, dem die Luft ausgeht, und mein Herz hüpft in meiner Brust wie ein ängstlicher Vogel in einem Käfig.

Aber das ist ein Traum. Alles ist nicht wahr, auch das Blut, das gegen die Scheibe spritzt, dort eine Spur hinterläßt und langsam nach unten rinnt. Dann sehe ich ihn. Er steht hinter der Frau, die jetzt am Boden liegt. Er hat eine Pistole in der Hand. Er hat die Frau erschossen. Ich kenne ihn, er war in meinem Abteil und hat sich vorgestellt, er heißt Pedro Rodríguez. Aber es gibt keinen Pedro Rodríguez, ich weiß es und habe alles schon längst vergessen. Der Mann kommt auf mich zu. Er lächelt. Ich muß hier weg, ich muß endlich aufwachen, um zu sehen, daß alles nur ein Traum ist, daß alles nicht wahr ist, doch es ist, als wäre ich gelähmt, ich kann mich nicht bewegen, alles geht so langsam.

Etwas hat sich verändert. Der Mann kommt auf mich zu und lächelt. Ich weiß, daß er mich töten wird. Er wird mich töten, wenn ich nicht endlich aufwache, aber ich wache nicht auf, und der Mann kommt immer näher und ich warte, ich warte und sehe, daß er lächelt. Er lächelt, und dann drückt er ab.

Der Schuß katapultierte mich in die Wirklichkeit meines Schlafzimmers. Ich saß aufrecht im Bett und starrte gegen eine Wand aus Dunkelheit. Für einen Augenblick war alles ausgelöscht.

Ich hatte vergessen, wer ich war, wo ich mich befand, da war noch das ohrenbetäubende Rattern des Zuges und vor mir Dunkelheit. Dann löste sich der Nebel, und alles stand wieder klar vor meinen Augen. Ich habe wieder geträumt. Ich liege in meinem Schlafzimmer. Ich bin allein. Ich heiße Jochen Balko und bin Journalist. Heute ist Freitag, der 22. Juli. Ich starrte auf die Digitaluhr meines Videorecorders. Es war vier Uhr morgens.

Um vier Uhr morgens erscheint alles unwirklich und fremd. Die Selbstmörder wetzen ihre Messer und träumen vom großen Abschied. Um vier Uhr morgens ist es leicht zu sterben.

Ich wälzte mich aus dem Bett und ging in die Küche. Ich wußte, daß ich nicht mehr schlafen würde. Es war immer so gewesen die letzten Wochen. Jedesmal derselbe Traum, jedesmal dieser Schuß, das Gesicht und dieser Mann mit Namen Pedro Rodríguez. Aber ich kenne keinen Rodríguez. Ich habe den Namen noch nie gehört, und es hat keinen Sinn, darüber zu grübeln, wie ich es seit Tagen mache. Es hat keinen Sinn.

Ich öffnete den Kühlschrank, aber ich hatte vergessen, Bier kaltzustellen. Der Kasten stand auf dem Balkon. Das Bier war fast lauwarm, es kühlte einfach nicht ab in diesen Nächten, aber ich öffnete eine Flasche und trank. Ich setzte mich auf den Gartenstuhl und rieb meine brennenden Augen. Es begann zu dämmern. Mein Balkon führte auf einen Hinterhof, der von einer mannsgroßen Mauer eingezäunt wurde. Dahinter war ein kleiner Park. Er hatte die Form eines Vierecks. Rechts und links wurde er von großen Häuserblocks begrenzt. Die Fenster waren alle dunkel, nur in einer Wohnung rechts von mir im zweiten Stock brannte noch Licht. Die Rolläden waren nicht heruntergelassen, so daß ich direkt in das Zimmer sehen konnte. In einer Ecke leuchtete der Bildschirm eines Computers. Dahinter saß ein Mann und tippte etwas ein.

Ich lehnte mich zurück und schloß die Augen. Es war ganz still hier. Alle schliefen, außer mir und dem Mann am Computer. Ich versuchte, mich zu beruhigen, mein Herz pochte immer noch heftig und meine Kehle war wie ausgedörrt. Vier Uhr morgens ist eine beschissene Zeit.

 

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Gedichte, Satiren und Sonette von dem Autor Gunnar Schuberth
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